Diagnose Beckenschiefstand?

Sitzprobleme und Knieschmerzen können ihren Ursprung in derselben Körperregion haben

Bei über 80% aller Menschen kann man eine leichte Verdrehung der Beckenschaufeln zueinander finden, demzufolge ist dies eher als normal zu bezeichnen und an sich nicht besorgniserregend.
Im Folgenden beleuchtet Lotte Kraus, Physiotherapeutin und professionelle Bikefitterin, warum gerade diese als normal geltende Eigenschaft beim Radfahren zu Beschwerden führen kann:

Was ist überhaupt ein „Beckenschiefstand“?
Hinter einem „Beckenschiefstand“ verbirgt sich meist eine Verdrehung der Beckenschaufeln zueinander – das Becken scheint durch die Erhöhung des Beckenkammes auf einer Seite schief zu stehen.
Ursache für diese Verdrehung können durchaus unterschiedlich lange Beine sein, die Literatur spricht allerdings davon, dass dies nur auf 1-4% der Betroffenen zutrifft. In viel größerer Häufigkeit liegen funktionelle „Beckenschiefständen“ vor, die durch muskuläre Dysbalancen oder Gelenkblockaden in Rücken- oder Beckenregion verursacht sein können.
Dem Radsportler kann dies Probleme bereiten, da sogar ein leichter, im Alltag unauffälliger „Beckenschiefstand“ zu relevanten sportspezifischen Beschwerden auf dem Rad führen kann, die im Folgenden näher aufgeführt werden:

1. Sitzbeschwerden
Ein Radfahrer belastet im Sitzbereich neben den Sitzbeinhöckern vor allem auch die beiden „Schambeinkufen“. Desto sportlicher die Position, desto mehr rücken die Sitzbeinhöcker in den Hintergrund.
Bei einer Verdrehung der Beckenschaufeln zueinander entstehen im Sitzbereich Druckspitzen – im Bereich der Sitzbeinhöcker, aber eben auch der empfindlichen Region der „Schambeinkufen“. Dies kann bei längeren Ausfahrten zu Taubheitsempfindungen und Druckschmerzen führen, was den Fahrspaß ungemein einschränkt.
Der Sattel wird unzählige Male ausgetauscht, aber es tritt keine wirkliche Verbesserung auf.

2. Knieschmerzen
Die sportliche, nach vorne geneigte Sitzposition auf dem Rad verstärkt durch die Muskelketten eine vorhandene Beckenverdrehung.
Außerdem ist die typischerweise beim Radfahrer ausgeprägteste Muskelkette aus Gesäß- und vorderer Oberschenkelmuskulatur eng mit einer bindegewebigen Struktur verbunden, die am Becken beginnt und im seitlichen Kniebereich endet.
Dadurch kann es unter bestimmten Bedingungen wie z.B.

  • einer Steigerung der Trainingsleistung, beispielsweise im Trainingslager
  • bei einer zusätzlichen Belastung der seitlichen Strukturen, beispielsweise einer Seitkippung des Schuhs durch die Sohlenkonstruktion

zu einer Ansatzreizung dieser Struktur kommen.
Dies äußert sich in einem stechenden, sehr unangenehmen Schmerz am äußeren, manchmal auch vorderen Kniebereich.

Zusammenfassung
Eine leichte Beckenverdrehung ist faktisch als normal zu bezeichnen, kann aber beim Radsportler zu ernsthaften Beschwerden führen.
Eine professionelle Bewegungsanalyse auf dem Rad kann dazu dienen, die Ursachen exakt zu analysieren und Überlastungserscheinungen verhindern.

Erfahre im nächsten Blog, wie eine solche Bewegungsanalyse abläuft, worauf der Experte achtet und welche Maßnahmen ergriffen werden können!

Autorin: Lotte Kraus