Einleitung / Allgemeines
Bei der Kraftübertragung zwischen Athlet und Rad kommt den Pedalplatten (Cleats) eine besondere Bedeutung zu: Sie stellen das Bindeglied zwischen Radschuh und Pedale dar und sind auf verschiedene Weise individuell einstellbar: Neben der longitudinalen und transversalen Achse bieten nahezu alle Pedalsysteme auch eine Einstellung in der rotatorischen Achse an. Unter Rotation wird in diesem Falle die Winkelstellung des Schuhs in Relation zum Kurbelarm verstanden, einfach gesagt, ob die Ferse zum Kurbelarm hin, neutral oder vom Kurbelarm weg zeigt.
Da die Basics zur Einstellung einer neutralen Cleat-Position bereits in zahlreichen Veröffentlichungen erklärt wurden, möchte ich diesen Aspekt in diesem Artikel gern aussparen. Unterhalb des Artikels finden sich einige Links, die diese Grundeinstellung erläutern, auch das Buch von Phil Burt ist ein nützlicher Lesetipp. Im Grunde sollte jeder Bikefitter, der seine Sportler dynamisch analysiert, die Pedalplatten individuell einstellen können. Dennoch möchte ich diesen Blog nutzen, um den Effekt kleiner Veränderungen der Cleat-Positionierungen auf die Druckverteilung im Schuh aufzuzeigen. Die Beispiele sind jeweils ein kleiner Ausschnitt eines gesamten Bikefitting-Prozesses und sollten nicht ohne Berücksichtigung weiterer Aspekte der Sitzposition durchgeführt werden.
Fallbeispiel 1: Veränderung der Cleats in der longitudinalen Achse
In diesem Beispiel klagt die Sportlerin über brennende Füße und einschlafende Zehen am linken Fuß nach ca. 30 Minuten Belastung auf dem Rad. In der Analyse der Ausgangsposition können einige Parameter wie Sitzhöhe und Sitzlänge als möglichen Ursachen ausgeschlossen werden. Auch das Schuhmodell passt zu den Dimensionen der Füße. Die Druckverteilung des linken Fußes (Abbildung 1: Baseline) zeigt eine Druckspitze im vorderen Teil des Fußballens (vor allem im Bereich des Mittelfußköpfchens (MFK) 2 mit einem Wert von 460 mbar. Der Schwerpunkt unter dem Fuß (dargestellt als schwarze Linie) befindet sich ebenfalls hauptsächlich an diesem Punkt. Es ist zu vermuten, dass die an dieser Stelle verlaufenden Nervenbahnen in jeder Druckphase während des Tretzyklus‘ überlastet werden, so dass eine verminderte Versorgung der Zehen zu den genannten Beschwerden führen.
Nach der Neupositionierung der Cleats um 10mm rückwärts verlagert sich die gesamte Druckverteilung mittig auf den Ballen. Der Schwerpunkt (KAP) wandert um 8mm nach hinten und der maximale Druckwert an der spezifischen Stelle liegt nun bei 320 mbar. Dies entspricht einer Reduzierung von 30%. Die wichtigsten Daten sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:
PRE | POST | Veränderung | |
Maximaldruck Ballen [mbar] | 460 | 320 | – 30% |
Kontaktfläche Ballen [mm²] | 6375 | 6925 | + 9% |
Kontaktfläche Mittelfuß [mm²] | 425 | 2400 | + 464 % |
Kraftverteilung Zehen: Ballen [%] | 22:78 | 13:85 |
Die veränderte Cleat-Position führen zu positiven Effekten auf die Druckverteilung im Radschuh. Als nächster Schritt muss die Sitzhöhe auf die neue Cleat-Position angepasst werden, um eine Überstreckung des Knie- oder Sprunggelenks zu vermeiden.
Fallbeispiel 2: Veränderung der Cleats in der transversalen Achse
Im zweiten Fallbeispiel steht die seitliche Verschiebung der Cleats im Mittelpunkt. Der Rennradsportler klagt über Probleme mit dem Schuh-Außenrand, besonders bei längeren oder härteren Ausfahrten. Zur Analyse nehmen wir in diesem Fall den rechten Fuß:
In der Ausgangslage ist der höchste Druckwert mit 664 mbar an MFK 5 messbar, dies wird im Druckbild durch den gelben Punkt symbolisiert (Abb. 3). Auch der Kraftangriffspunkt befindet sich zu großen Anteilen im lateralen Bereich des Ballens, so werden insgesamt 41% der Kraft in der Tretbewegung vom Außenrand des Ballens ausgeübt.
Durch eine Verstellung der Cleats um 5mm nach innen, verlagert sich die Belastung unterm Fuß nach innen (Abb. 4). Der „gelbe“ Druckpunkt ist nun in „Grün“ erkennbar, was für eine Reduzierung des Maximaldrucks an dieser Stelle spricht. Die genaue Datenanalyse unterstützt diese Beobachtung:
PRE | POST | Comparison | |
Maximaldruck Ballen Innen [mbar] | 174 | 325 | + 87% |
Mittlerer Druck Ballen Innen [mbar] | 81 | 140 | + 74% |
Maximaldruck Ballen Außen [mbar] | 664 | 539 | – 18% |
Mittlerer Druck Ballen Außen [mbar] | 307 | 280 | – 9% |
Amplitude KAP [mm] | 25 | 46 | + 84% |
Kraftverteilung Innen:Mitte:Außen [%] | 05:34:41 | 07:43:41 |
Der Vergleich beider Messungen zeigt eine deutliche Verschiebung der Druckverteilung in medialer Richtung, zum Beispiel im Parameter Mittlerer Druck, der in der Zone ‚Ballen medial‘ um 74% zunimmt. Dadurch wird der maximale Druckpunkt an MFK 5 um 18% reduziert. Die Bewegung des Kraftangriffspunkt ist nun größer, was zwar für eine bessere Entlastung der schmerzenden Bereiche steht, aber auch ein Zeichen für eine geringere Stabilität in der Druckphase sein könnte. Wenn dieses Bewegungsmuster nach einer Phase der Adaption weiter bestehen bleibt, sollte die Stabilität durch eine passende Einlage wieder erhöht werden.
Fazit
Auch kleinere Veränderungen der Cleat-Position können deutliche Auswirkungen auf die Druckverteilung im Schuh haben. Deshalb sollte die passende Positionierung der Cleats immer ein Teil eines Bikefittig Prozesses sein. Dennoch darf der Effekt nicht überschätzt werden: Aufgrund der kleinen Verstellmöglichkeiten, die die Bohrungen der Cleats bieten, ist ihr Effekt limitiert. Die hier dargestellten Fallbeispiele sind mit jedem Pedalsystem am Markt „nachstellbar“, deshalb verzichte ich auf konkrete Empfehlungen zum Pedalystem an sich. Vielleicht in einem nächsten Blog?
Autor:
Weiterführende Literatur:
Burt, Phil: Bike Fit. Bloomsbury Sport, 2014.
Carver, Todd: Bike Fit and Positioning. In: Cheung / Zabala: Cycling Science. Human Kinetics 2017. Seiten: 83/84