RADEINLAGEN: VERSTECKTE KRAFT IM SCHUH
In einem unserer ersten Blogs habe ich über eine australische Studie geschrieben, die sich mit Fußbeschwerden bei Radsportlern beschäftigt. Es wurde deutlich, dass dieses Thema nicht unbedeutend im Bikefitting ist, da mehr als die Hälfte der Probanden über Fußbeschwerden geklagt haben. Auch die Rolle des Radschuhs haben wir in unserem Blog schon näher beleuchtet. Nun wird es Zeit, sich mit dem Inneren des Radschuhs zu befassen, sprich mit der Einlage.
Die Stellung des Fußes
Die Verbindung Fuß-Radschuhe-Pedale ist im Vergleich zu anderen Sportarten sehr speziell. Während der Läufer seine Ferse als Kontaktpunkt verwenden kann und bei jedem Schritt über den gesamten Fuß bis zum Ansatz der Zehen abrollt, ist der „Radfahrer-Fuß“ im Bereich des Ballens durch die Klickpedale fixiert. Auch bei maximaler Rotationsfreiheit der Cleats ist der Fuß nach innen und außen limitiert. Die Bewegungsfreiheit der Ferse nach oben und unten wird zusätzlich durch die Sitzhöhe, also durch die Fixierung des Beckens auf dem Sattel, vorgegeben. Deshalb gilt grundsätzlich: Laufeinlagen sind keine Radeinlagen!
Diese besondere Fußstellung führt zu sportspezifischen Belastungen:
• Die Druckpunkte im Radschuh sind bei jeder Tretbewegung nahezu identisch
• Die Kraftverteilung am Fuß ist stark front-orientiert (Regionen Fußballen und Zehen)
• Die Kontaktfläche ist verkleinert, die Ferse hat keinen direkten Kontakt
• Die Kräfte wirken über lange Zeit (mehrere Stunden) auf die belasteten Fußregionen
Analyse des Fußes
Zur richtigen Einlagenversorgung gehört eine intensive Analyse beider Füße. Welche Besonderheiten weisen die jeweiligen Füße auf? Die Bestimmung des Fußtypus, der Längsgewölbehöhe und –länge und die genaue Betrachtung der fünf Mittelfußköpfchen sind unter anderem wichtig für die spätere Auswahl der passenden Einlagen. Der Fuß an sich erzählt seine eigene „Belastungs-Historie“. Zur Analyse des Fußes kann neben dem eigenen, geschulten Auge auch Messtechnik zur Unterstützung hinzugezogen werden. Aus meiner Sicht können viele Informationen aus einem Fuß-Scan gelesen werden.
Ober- und Unterseite – beide sehr wichtig!
Bei aktuell am Markt befindlichen Einlagenkonzepten wird hauptsächlich über die Oberseite gesprochen. Aus meiner Perspektive wird dabei ein entscheidender Faktor nicht berücksichtigt, nämlich die Unterseite der Einlage: die Unterseite sollte sich im Optimalfall passend an die Oberseite der Schuhsohle anlegen, ohne Lücken oder Überstände aufzuweisen. Sie sollte idealerweise das Negativ der Schuhsohle darstellen. Dies wird besonders bei harten Materialien wie Carbon entscheidend: Wenn zwei harte Materialien (Schuhsohle + Einlage) aufeinanderliegen und beide Seiten nicht aufeinander abgestimmt sind, kommt es schnell zu ungewünschten Druckpunkten an der Fußsohle. Dieses Phänomen haben wir mit unserer Fußdruckmessung bereits häufiger im Fitting visualisieren können. Stellen wir zusammenfassend fest: Die Einlage muss an der Oberseite zum jeweiligen Fuß passen und an der Unterseite zum jeweiligen Radschuh!
Materialgewicht
Bei allen Komponenten der Schnittstelle Fuß – Pedale ist die Gewichtsfrage von entscheidender Bedeutung. Warum spielt grade hier das Gewicht so eine wichtige Rolle? Der Grund liegt vor allem darin, dass diese Schnittstelle die beweglichste im gesamten System ist. So wird die gesamte Pedalbewegung 80 – 100 x pro Minute durchgeführt, das heißt 80 – 100 Mal wird die Pedale in der Druckphase „heruntergedrückt“ und in der Zugphase wieder „hochgezogen“. Bei einer mehrstündigen Ausfahrt kommen hier schnell mehr als 20.000 Umdrehungen zusammen, die aus dem „menschlichen Energietank“ betrieben werden. Kleines Rechenbeispiel: Ein leichter Radschuh liegt aktuell bei 250g in Schuhgröße 43. Wenn in diesen Schuh jetzt eine Einlage von 100g eingelegt wird, nimmt das Systemgewicht Schuh + Einlage direkt um 40% zu. Im Gegensatz dazu steigert sich das Systemgewicht bei einer Einlage mit 25g nur um 10%!
Dynamische Analyse: Wie tritt der Fuß?
So weit, so gut: Wir haben den Fuß statisch analysiert, ihn von außen beim Fahren betrachtet und dennoch fehlt ein wichtiger Faktor: Die dynamische Analyse im Radschuh!
• Wie belastet der Fuß die Pedale?
• Mit welchen Strukturen des Fußes wird die Druckphase durchgeführt?
• Ist die Fußbewegung stabil?
• Tritt der Fahrer eher spitz mit den Zehen oder großflächig mit dem gesamten Ballen?
Über all diese Fragen liefert die dynamische Druckmessung im Schuh genaue Erkenntnisse. Die Druckbilder zeigen die Realität der Tretbewegung, sie visualisieren exakt, was in der Dynamik passiert. Sieht man beispielsweise im Druckbild eine starke Belastung auf einem Mittelfußköpfchen, kann man durch die Einlage eine spezielle Entlastungszone einbauen. Oder wird der Fuß zu weit außen belastet? Hierbei kann eine Innenranderhöhung zu einer medialen Verlagerung und mehr Stabilität führen. Am Ende des Tages sollte die Radeinlage genau da funktionieren, wofür sie entwickelt wurde: Im Einsatz im Radschuh während eines langen, harten Tages auf dem Rad!
Autor: Daniel Schade