Aspekte der Aerodynamik – Teil 1
Im November 2013 hat gebioMized das erste Bikefitting Symposium im deutschsprachigen Raum veranstaltet. Neben Experten zu verschiedenen Fitting-Themen war dort mit Mike Giraud auch ein ausgewiesener Aerodynamik Experte mit jahrelanger praktischer Erfahrung im Windtunnel zu Gast. Da wir wissen, wie häufig dieses Thema im professionellen Bikefitting diskutiert wird, möchten wir diesen Blogeintrag nutzen, einige Grundlagen aus Mikes großem Erfahrungsschatz vorzustellen: 1. Mensch vs. Material – die 75/25 Regel Als erstes vergleichen wir den Einfluss von Fahrer und Rad auf die Aerodynamik des gesamten Systems. Dabei ist festzustellen, dass der menschliche Körper im Schnitt 75% zum Windwiderstand beiträgt, während der Anteil des Rades und der Komponenten nur 25% beträgt. Aus diesem Grunde haben Veränderungen an der Positionierung des Menschen einen deutlichen größeren Einfluss als der Wechsel zu aerodynamischen Komponenten. Im vorliegenden Fallbeispiel wird der Unterschied einer sportiven Rennrad-Position (Unterlenker) zu einer typischen Zeitfahrposition mit 33% Reduktion des CdA Werts (Strömungswiderstand) beziffert, was das Potential einer aerodynamischen Sitzposition verdeutlicht.
Copyright: Mike Giraud, 2013
2. Tiefer heisst nicht immer schneller! Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass eine tiefere Position, vor allem durch eine stärkere Überhöhung zwischen Sattel und Lenker, zu einer aerodynamischen Verbesserung führt. Diese Einschätzung wurde nach Aussage von Mike Giraud in vielen Windtunnel-Tests mit verschiedenen Radsportlern eindeutig widerlegt. Das vorliegende Beispiel zeigt einen leicht verbesserten Aero-Wert in der Position mit erhöhtem Vorbau. Der Hauptgrund liegt in der Kopfhaltung: Die stärkere Überhöhung zwingt den Fahrer, den Nackenbereich stärker anzuspannen und zu strecken. Diese Streckung führt dazu, dass eine tiefe Kopfposition nicht mehr eingenommen werden kann. Bei kleinerer Überhöhung und weniger Überstreckung des Nackens kann wiederum eine tiefere Kopfposition eingenommen werden. Zusätzlich führt diese Position zu mehr Stabilität und weniger Bewegung in der gesamten Kopfpartie. Tiefer heisst also nicht automatisch besser, „zu tief“ kann auch aerodynamisch negative Auswirkungen haben.
Copyright: Mike Giraud, 2013
3. Die Frage des Helms – der Klassiker Besonders in den letzten zwei Jahren hat sich einiges in der Entwicklung von Aero-Helmen getan. Neben der bisherigen Hauptform (tropfenförmig, vorne geschlossen, mit Finne hinten) hat sich besonders im Profisport eine neue Form ohne Finne etabliert. Welche Form ist aber nun für mich die Richtige? Die Frage ist individuell zu beantworten, in dem man die Vor- und Nachteile des Tropfenhelms betrachtet: Solange der Blick konstant gradeaus nach vorn gerichtet ist, bietet die Finne eine verbesserte Strömungslinie (= kleinerer CdA Wert). Sofern sich der Blick aber nach unten richtet, zum Beispiel, um Powermeter Daten abzulesen, stellt sich die Finne in den Wind und vergrößert die Angriffsfläche. Deshalb ist der Tropfenhelm nicht empfehlenswert für Fahrer, die im Wettkampf zu häufigen Auf- und Abwärtsbewegungen des Kopfes neigen. Für Fahrer mit stabiler Kopfhaltung über die gesamte Strecke hat die Finne wiederum positive aerodynamische Effekte. Natürlich kann das komplexe Aero-Thema nicht innerhalb eines Blog-Eintrags behandelt werden. Weitere Grundlagen und Beispiele werden wir in Aerodynamik Teil 2 im nächsten Jahr beschreiben!
Autor: Daniel Schade
Mit besonderem Dank an Mike Giraud für die fachliche Unterstützung!