TOUR DE FRANCE 2027 – EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT !
Wir schreiben den frühen Morgen des 19. Juli 2027.
Dean McMiller, Teamchef des US Rennstalls iWorld 7, lehnt lässig an seinem Teamfahrzeug und gibt seinen Fahrern letzte Anweisungen für die heutige, wohl entscheidende Etappe der 114. Tour de France.
Nachdem es in den letzten zwei Tagen quer durch die heiße Wüste und die Wolkenkratzer-Schluchten der Megacity Dubai ging, steht heute auf eine echte Traditionsetappe der Tour de France auf dem Programm: von Givors hinauf zum Mont Ventoux.
Es wartet also der weißer Riese der Provence auf das, durch die Rennhärte der letzten 2 ½ Wochen und die unzähligen Reisekilometer quer durch die Welt, ausgelaugte Peloton.
Mit Blick auf das aktuelle Gesamtklassement, in dem der Chinese Lu nur wenige Sekunden vor seinen ärgsten Verfolgern aus Kamerun, den Vereinigten Emiraten , Italien und Deans Schützling, dem 18-jährigen US-Wunderknabe, Luke Lancestrong liegt, schwört Dean seine Truppe noch einmal auf einen harten Fight auf den letzten 22,7 km hinauf zum Observatorium ein. Das Ziel ist klar: Volle Unterstützung für Luke! 16 Sekunden trennen ihn nur vom gelben „Emirates Leader Shirt“.
Nach kurzem Abklatschen setzt sich der Tross in Bewegung und Dean schwingt sich in sein hochmodern ausgestattetes Teamfahrzeug. Der Startschuss fällt, das Peleton surrt los, die Teamdrohnen steigen auf und die Begleitkarawane inklusive Dean braust geräuschlos hinterher.
Dean macht es sich in seiner „Kommandozentrale“ erstmal gemütlich, von der Müdigkeit überredet, stellt er direkt auf Autopilot und schließt die Augen. Pünktlich zum scharfen Start wird Dean durch die Stimme seiner Pilot-Assistentin geweckt und er beginnt sofort sich die wichtigsten Livedaten seiner Fahrer und der heutigen Etappe in sein Sichtfeld zu projizieren.
Die ersten 100km verlaufen für iWorld 7 ruhig und nach Plan. Einzig eine kurze Schrecksekunde gibt es im Massensturz bei Kilometer 90. Doch die iWorld7 Teamdrohne hatte alles perfekt im Blick und konnte das Unheil kommen sehen, so dass Luke und seine Teamkollegen rechtzeitig das Warnsignal in die Scheiben der iView Brillen aufblinken sahen und sich auf die drohende Situation einstellen und so dem Sturz ausweichen konnten.
Nach diese Schrecksekunde schmeißt sich Dean die Vitalparameter, welche durch die in maßgefertigten Rennanzüge integrierten Textilsensoren erfasst werden, auf den Screen und wechselt zwischen den einzelnen Fahrern hin und her. Muskelaktivität, Sauerstoffsättigung, Adrenalinpegel, Energieniveau &Atemfrequenz sind die Parameter, die sich Dean zunächst ansieht, um zu verstehen, was in seinen Jungs vorgeht. Er sieht, dass sich die Hektik im Peloton nach dem Sturz auch auf einige seiner Fahrer übertragen hat: Die Atemfrequenz ist im Vergleich zur aktuellen Leistung zu hoch, das Adrenalinlevel über Niveau der ersten 89km und die Anspannung sorgt für erhöhte Muskelaktivität. Dean muss schnell entscheiden, wie er reagiert, um nicht hier schon wichtige „Körner“ für das Finale zu verlieren. Er entscheidet sich für die offensive Strategie. In den Brillengläsern seiner Schützlinge erscheint eine Nachricht, die die Strategie bekannt gibt – das Profil der nächsten 30KM wird grafisch dargestellt und zeigt das es langsam ernster wird: Zwei Anstiege der 3. Kategorie. Die Schlüsselstellen, enge kurvenreiche Straßen auf den Abfahrten, werden als kurzer Videofile abgespielt. Um den Jungs den Schrecken aus den Gliedern zu nehmen und Selbstvertrauen zu tanken, lautet die Strategie für diesen Abschnitt Präsenz an der Spitze des Pelotons zu zeigen und den anderen Teams das eigene Tempo aufzuzwingen.
Die iWorld 7 Drohne zeigt jedem einzelnen Fahrer den energiesparendsten Weg durch das Peloton nach vorne und so sind wenige Augenblicke später alle neun iWorld Fahrer an der Spitze des Feldes angekommen und beginnen, das Tempo zu bestimmen.
Auf dem letzten flachen Abschnitt vor dem ersten Berg steigern die Fahrer die Wattleistung kontinuierlich. Die von der iKnow Software gesteuerten Bikecomputer ,welche das Team seit mehreren Jahren verwendet, bemerken die Veränderungen sofort und passen die Einstellung des Rades automatisiert an die aktuellen Vital- und Performance Parameter des Fahrers an. Für diesen flachen Abschnitt, auf dem die Fahrer zusätzlich mit Wind von vorne zu kämpfen haben, bedeutet das für Georg, den größten und kraftvollsten Fahrer im iWorld Team (ein wahrer Tempobolzer), dass die Sensoren seiner vollintegrierte Sattelstützen-/Sattelkombi eine deutliche Verlagerung von Georg Richtung Sattelnase melden – der Druck in Georgs Schambeinbereich ansteigt. Um dieser negativen Veränderung entgegen zu wirken, fährt sein Sattel automatisch 10mm nach vorne und um 3mm nach oben, was ihm wieder einen guten Komfort bei aggressiver Beckenposition über dem Tretlager ermöglicht. Außerdem fährt die, via 3D Molding auf seine großen Pranken angepasste Lenkereinheit um 15mm nach unten, um Georg eine windschlüpfrige Position zu ermöglichen. Die vollautomatische Auswertung seiner Leistungs- und Vitalparametern kommt zusätzlich zu dem Schluss, dass Georg in der angepassten Position seine Kraft effektiver auf sein Bike übertragen könnte, wenn die Kurbelarmlänge um 5mm reduziert wird. Wenige Sekundenbruchteile später stellen sich die Kurbelarme in die gewünschte Position!
Nur 180Sek. nachdem die Fahrer vom iWorld7 Team die neue Aufgabe von Dean übermittelt bekommen haben wirbeln nun 9 Fahrer, in individuell abgestimmten Positionen an der Spitze des Feldes und bekommen laufend wichtige Informationen zu Windrichtung und -stärke, Steigungsprozente, eigenem Energieniveau und Gefahrenstellen über ihre iView Brillen projiziert.
In fortlaufend angepassten Set-Ups und unter den wachsamen Augen von Dean führt die Formation vom iWorld Team das Feld die nächsten 80km über die ersten Berge des Tages.
Die Straßen werden immer schmaler, der Asphalt rauer und die Dörfe,r durch die der iWorld7 Express rast, sind mittlerweile so klein, das sie im Nu an den Fahrern vorbeiziehen.
Im Teamfahrzeug steigt langsam die Anspannung. Dean muss feststellen, dass vier seiner Fahrer die Strapazen der letzten Tage schlechter weggesteckt haben, als es die Prognosen haben hoffen lassen. So steht schon jetzt eindeutig in den Livedaten, das keiner der vier genügend Energiereserven besitzt, um im Finale eine wichtige Helferrolle für Luke Lancestrong übernehmen zu können. Zeitgleich zeigen die Prognosen der iWorld Drohne, dass die Gegner sich heute überaus clever verhalten und Luke es mit sehr starken Kontrahenten am weißen Riesen zu tun bekommt.
Dean studiert ein weiteres mal die Daten von Luke – die Energiereserven in den wichtigen Muskelgruppen für die steilen Rampen am Mont Ventoux schauen gut aus, seine Laktatraten in Abhängigkeit zur Herz- und Atemfrequenz über die heutige Etappe lassen Dean hoffen, dass Luke die harten letzten Tage gut weggesteckt hat und nach kurzem Austausch mit Luke via iMic sind sich Luke und Dean einig: Sie wollen „Alles oder Nichts“ und halten an der offensiven Taktik fest.
Die vier angeschlagenen Fahrer bekommen die Info bis zum Fuße des Mont Ventoux alles aus sich rauszuholen und bekommen dabei von Georg und einem weiteren Tempobolzer Unterstützung. Luke und seine zwei besten Helfer sollen dann in den langen letzten 22,7 Kilometern das vollenden, wofür Dean und seine Truppe heute so hart arbeiten: Der Etappensieg und die Führung im Gesamtklassement soll heute Abend gefeiert werden.
Die Anfahrt läuft nach Plan, das Tempo ist hoch, die letzten Ausreißer des Tages werden eingefangen und Dean sieht live, wie sich die Energiebalken seiner Frontleute nach und nach leeren. Die iKnow Software hat alle Hände voll zu tun, um die immer müder werdenden Fahrer, welche mit dem Oberkörper hin und her schwanken und auf dem Sattel hin und her springen, optimal zu supporten. Die iWorld Drohne meldet, das maximal noch 20 Fahrer für das Finale in Frage kommen, der Rest der Kopfgruppe hat bereits jetzt zu kämpfen und viele Fahrer treffen aufgrund der hohen Erschöpfung falsche Entscheidungen: So müssen sie unnötig Energie aufwenden, um sich in der Kopfgruppe zu halten. Auch von Deans Männern sind zu Beginn des Schlussanstiegs nur noch Georg, Luke und seine beiden Berghelfer über.
Ab hier sieht der Plan vor, dass Lukes drei Gefährten das Tempo in der Spitzengruppe so lange wie möglich hochhalten und Luke auf den letzten Kilometern versucht durch gut getimte Attacken seine ärgsten Gegner abzuschütteln.
Die Gruppe hat Bedion verlassen und der Berg beginnt!
Die Jungs um Luke hauen alles rein was sie haben und die Kopfgruppe ist schon nach den ersten fünf steilen Kilometern auf nur noch 20 Mann geschrumpft. Dean konzentriert sich nun nur noch auf die Parameter von Luke und die iKnow Software von Luke reguliert und optimiert, was das Zeug hält.
Direkt zu Beginn des Anstiegs melden die Textilsensoren eine erhöhte Aktivität der hinteren Oberschenkelmuskulatur – die veränderte Trittfrequenz von Luke am Berg sorgt ebenfalls für eine andere Belastung der Muskulatur. Um diesem gerecht zu werden, verstellen sich die Schuhpedaleinheiten um wenige Millimeter nach außen und der Rotationswinkel wird auf 7° erhöht. Zeitgleich wird die Sattelposition laufend an die Bergauffahrt angepasst. So verschiebt sich der Sattel wieder um 15mm nach vorne und die Sattelnase wird je nach aktuellem Steigungsgrad um wenige Grad abgeneigt. Luke kann so immer stabil auf der gesamten Fläche des Sattels sitzen und die Sattelnase drückt nicht unangenehm gegen das weit nach vorne gekippte Schambein.
Dean sieht, dass bei Georg und den zwei andere der Ofen in wenigen Augenblicken aus ist und gibt Luke die Info, dass er gleich auf sich alleine gestellt sein wird. Jetzt heißt es sich an Lu und den anderen Favoriten zu orientieren , denn diese sind alle noch dabei und die anderen Team Drohnen kreisen über Lukes Kopf um möglichst genaue Einschätzungen über seine Verfassung an die Teamchefs zu liefern. Luke setzt sein Pokerface auf, aber sein schnell schlagendes Herz , seine erhöhte Körpertemperatur ist und seine beschleunigte Atmung kann er vor den Hightech Drohnen nicht verstecken. So weiß auch Luke, dass es seinen Gegnern kaum besser gehen kann als ihm, der jetzt 6 km vor dem Ziel Mühe hat, seinen Rhythmus und seine Frequenz sauber zu halten. Die iKnow Software tut was sie kann und liest den personalisierten Code aus aktueller Leistung und Trittfrequenz für Luke laufend aus und so schaltet die Software ununterbrochen für Luke zwischen den 14 verschiedenen Zahnkränzen hin und her, um das für ihn beste Übersetzungsverhältnis zu erzielen. Luke muss sich nur fest in seine anschmiegsame Lenkereinheit krallen und hoffen, dass Dean und er taktisch keine Fehler machen, seine Software besser funktioniert und auf ihn abgestimmt ist, als die seiner Gegner. Denn seine Form ist gut an diesem heißen Tag im Juli 2027.
Zwei Kilometer sind es noch bis zum Observatorium, neben Luke sind es nur noch der Chinese Lu, der überraschend starke Italiener und der Fahrer aus Kamerun, die den Sieg unter sich ausmachen werden.
Luke merkt, das es knapp werden wird, bei der letzten Attacke des Italieners hat es schon einen Moment gedauert bis er ein Setup gefunden hat, das ihm erlaubt hat die Beschleunigung auf über 30km/h mitzugehen. Die Schaltung springt wild hin und her um den passenden Gang für Luke zu finden und Dean versucht verzweifelt (entgegen dem Softwarevorschlag) durch eine tiefere und schmalere Lenkereinstellung Luke, der kurze Zeit alleine im heftigen Gegenwind hing, zu schützen. Der riskante Plan geht auf, denn Luke kann die Lücke zum Italiener und zu Lu noch einmal schließen.
Kaum wieder am Hinterrad von Lu angekommen, sieht Luke, wie der Italiener erneut außen an seinen Lenker greift und mit seinem Finger drei kurze Impulse auf einen Knopf gibt. Sekundenbruchteile später hüpft die Kette des Italieners drei Ritzel hinab und er katapultiert sich mit einem kräftigen Stoß aus seinem Sattel, um die große Übersetzung im Wiegetritt ruckartig erneut auf über 30 Sachen zu beschleunigen. Das manuelle elektronische Schaltverfahren hatte Luke selber noch in der Junior Klasse kennengelernt, beim Team iWorld7 wurde es aber vor zwei Jahren durch das, in die iKnow Software integrierte, intelligente Schaltsystem ersetzt.
Luke kann nur mit ansehen, wie der 28 Jährige Italiener in seinem, durch rosa Farben geprägten Lycra-Trikot, Meter um Meter auf ihn gewinnt und die Lücke irgendwann so groß ist, dass sich das Spalier der Zuschauer hinter dem Italiener schon wieder kurz schließt, bevor Luke mit dem Chinesen an seinem Hinterrad die Stelle erreicht und die frenetischen Zuschauer erneut zur Seite springen um wenigstens 80cm der Straße für die Fahrer frei zu geben.
Dean meldet aus seinem Kommandostand, dass nur noch um Platz Zwei erreichbar sei, und es jetzt darum gehe, zu kämpfen und an sich zu glauben.
Am Ende kommt Luke als Dritter des Tages auf dem Mont Ventoux an. Lu verteidigt sein gelbes Emirates Leader Shirt mit wenigen Sekunden Vorsprung auf den Italiener und wird zwei Tage später als erster chinesischer Sieger der Tour de France in Paris ankommen…
So oder so ähnlich könnte das wichtigste Radrennen der Welt in vielleicht 13 Jahren aussehen wenn technischer Fortschritt, das biomechanische Fachwissen und die Datenverarbeitung & -analyse weiter Einzug in die Fahrradindustrie erhalten.
Und so hoffen wir, dass wir mit unserer täglichen Arbeit ein Teil dazu beitragen können, das Wissen und die technische Entwicklung im Radsport voranzutreiben. Denn nur durch stetiges Überarbeiten und kritisches Hinterfragen der Gegebenheiten können wir das riesige Potential für Verbesserungen erschließen. So kann sich eine wunderbare Synergie aus Fortschritt und der Tradition im Radsport ergeben – denn die Liebe und die Faszination, die der Radsport bei uns alle weckt ,ist mit Sicherheit eng mit der Tradition und den Emotionen eines Radrennens verbunden! Das muss auch in Zukunft die Basis für den schönsten Sport der Welt sein.
Autor und Mann mit der Kristallkugel:
Michael Fuhrmeister