Schweiß, Sender und Sensoren

Triathlon-Profi Florian Angert nutzt die wettkampfreie Zwangspause, um weiter an seiner Position auf dem Zeitfahrrad zu arbeiten. Beim gebioMized-Outdoor-Test im Münsterland wurden die Ergebnisse jetzt überprüft.

Triathlon-Profi Florian Angert fliegt durch das Münsterland.

Florian Angert

Es ist ein warmer Montagmorgen im September, nur einen Tag nach dem Pushing Limits Race in Ratingen. Rund 100 Kilometer nordöstlich von Ratingen jagt etwas Blaues in Aero-Haltung durch das Münsterland: ein Triathlet im Dress des Teams Erdinger Alkoholfrei.

Die Nahaufnahme zeigt: es ist Florian Angert. Der 28-jährige Triathlon-Profi gewann 2019 mit neuer Bestzeit den Ironman Barcelona – und legte ganz nebenbei in seinem ersten Wettkampf über die Langdistanz die schnellste Zeit eines „Rookies“ hin, die die Ironman-Welt je gesehen hat.

Doch hier und heute ist irgendetwas anders. Ausgestattet mit Sendern, Sensoren und Druckmessfolien erinnert seine Triathlon-Maschine fast schon an einen Formel 1-Renner. Kenner wissen, dass dieses Setting nur eins bedeuten kann: Florian Angert rast nicht einfach nur so durchs Münsterland. Er ist im Einsatz mit der Fitting Crew von gebioMized. Die Mission: Weiter an der Sitzposition arbeiten, noch ein bisschen mehr herauskitzeln aus dem Potential von Mensch und Maschine, ein richtig schnelles Setup noch ein kleines bisschen schneller zu machen. Eine Mission, für die eben auch mal ein Montag nach dem Rennwochenende geopfert und Schweiß vergossen wird.

Setup einrichten für den Outdoor-Test mit Florian Angert.

Doch von vorne: Mit seinem Bikefitter Raphael Jung von Diagnose Berlin war Florian in diesem Jahr bereits auf der Radrennbahn und im Windkanal. Jetzt ist er mittendrin im Test unter realen Bedingungen. Es geht darum, die Position speziell mit Blick auf Biomechanik und Aerodynamik detailliert zu analysieren, und zwar in einer Umgebung, in der Speed und Belastung das Renngeschehen so gut wie möglich simulieren sollen.

„Ich habe die unfreiwillige Wettkampfpause genutzt, um an meinem Setup und der Position fürs Rennen zu arbeiten. Speziell die Änderungen aus dem Windkanal möchte ich jetzt draußen in der Realität testen und prüfen, ob die Position für mich fahrbar ist und ob ich sie noch weiter optimieren kann“, sagt Florian.

Speziell folgende Fragen interessieren die Fitting-Crew um Daniel Schade und Jan Neuhaus:

  • Wie stabil ist Florians CdA-Wert über längere Zeit unter der Rennbelastung? Wann und wie stark verändern sich die gemessenen Daten?
  • Führen bestimmte Veränderungen der Haltung zu Vor- oder Nachteilen bei Aerodynamik und Stabilität?
  • Wie kompensiert der Athlet höhere Widerstände in Bezug auf die Position?

Mit diesem Ansatz soll ein möglichst ganzheitliches Positions-Profil des Athleten erstellt werden. Genau dazu fahren die gebioMized-Fitter ihr komplettes Technik-Arsenal auf. Technik, mit der sie sich vor keiner Boxencrew in der Formel 1 verstecken müssten. Ein spezieller Windmesser am Cockpit zeichnet die Aerodynamikwerte auf. Über eine Vielzahl von Sensoren, an verschiedenen Stellen an Florian Angerts Körper angebracht, wird das Bewegungsmuster erfasst. Und wie stabil Angert im Sattel sitzt, können die Fitter dank der Highspeed-Druckmessfolie direkt live aus dem Begleitfahrzeug hinter dem Sportler messen.

Verfolgerperspektive: Aus dem „Begleitfahrzeug“ heraus messen die Wissenschaftler die Daten.

Kleine Anpassungen und wertvolle Erkenntnisse

Satte 24 Messdurchläufe absolviert Florian Angert mit diesem Setup. Das Ergebnis: jede Menge Daten, ziemlich viel Schweiß und eine erste Einschätzung der Sportwissenschaftler. „Das Testprotokoll hat super funktioniert, die Ergebnisse sprechen für sich“, zeigt sich Testleiter Daniel Schade zufrieden und verrät: „Dass Flo bereits eine sehr gute Position fährt, wussten wir ja schon. Dennoch konnten wir ein paar Stellschrauben finden, an denen wir jetzt noch gemeinsam drehen können.“ Konkret nennt Daniel etwa die minimale Anpassung der Pad-Position, welche die Stabilität des gesamten Systems aus Bike und Athleten bei hohen Widerständen erhöht. Oder die weitere Optimierung der Sattelposition. „So werden Flos Beckenbewegungen noch ruhiger“, sagt Daniel.

Insgesamt einige kleine aber durchaus wertvolle Anpassungen und Erkenntnisse also, die Florian bereits in den nächsten Rennen zum Vorteil einsetzen kann. Vielleicht ja schon bei der Challenge Daytona im Dezember. Wir drücken die Daumen – und sind gespannt, wie diese Reise weitergeht.

Einstellungssache: Bikefitter Daniel Schade im Outdoor-Einsatz.

Im Detail

Als Beispiel für die Fülle an Daten werfen wir einen Blick auf zwei Grafiken.

Y-Bewegung im Vergleich

Y-Bewegung M2 vs. M6

Y-Bewegungen

Grafik 1 veranschaulicht die Bewegung des Kraftangriffspunktes auf dem Sattel in Längsrichtung. Im Schaubild werden zwei Testfahrten miteinander verglichen, die Florian Angert in jeweils unterschiedlicher Körperhaltung absolviert hat. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass die dunkelblaue Kurve zur ersten Testfahrt mehrere Ausschläge aufweist, die wir als sogenannte Shifts definieren. Auf der hellblauen Kurve zur zweiten Testfahrt hingegen sitzt das Becken insgesamt “ruhiger” auf dem Sattel, so dass von besserer Sattelstabilität gesprochen werden kann. (Welche Testfahrt dabei die schnellere war, ist aber natürlich Betriebsgeheimnis und muss an dieser Stelle verschwiegen werden.)

Beckenstellung

Beckenwinkel

Beckenwinkel

Grafik 2 zeigt die Stellung des Beckens in den Testfahrten 1 bis 8. Es fällt auf, dass Florian über eine sehr gute Beckenkippung verfügt und dass er selbst in der Lage ist, eine aktive Beckenkippung einzunehmen (Fahrten 3-6). Diese Fähigkeit ist besonders wichtig für eine gute Aerodynamik, da sie die Voraussetzung für entsprechende Optimierungen am Cockpit darstellt. Nachdem die aktive Haltung eingenommen wurde, “hallt” der Effekt nach, so dass die normale Haltung danach ebenfalls von einer stärkeren Beckenkippung profitiert (Fahrten 7+8).