Road to Kona 2016

Einmal im Jahr trifft sich die Elite des Langdistanz Triathlon auf Hawaii, um den offiziellen Ironman Weltmeister zu küren. Die Vorbereitungen auf Hawaii beginnen bereits lange Zeit im Voraus, um an dem einen besonderen Tag die maximale Leistung entfalten zu können. Wir hatten in der Saison 2016 die Ehre, mit drei Profis an ihrer Radposition für Kona zu feilen. So unterschiedlich die drei Athleten auch sind, das übergeordnete Ziel ist bei allen identisch: Eine möglichst aerodynamische Sitzposition zu finden, die in den extremen Bedingungen auf Hawaii so stabil und so lange wie möglich fahrbar ist. Trotz der identischen Zielsetzung war nach der Analyse der Ausgangslage (Baseline) klar, dass wir bei jedem Athleten individuelle Fitting Maßnahmen ergreifen müssen. Unsere „Road to Kona“ führte uns dabei auch auf die Radrennbahnen in Augsburg und Büttgen, wo wir spannende Tage der Aero-Optimierung mit den Experten von STAPS erlebt haben. Als Mess-Systeme wurden in den Fittings die biomechanischen Analysesysteme von gebioMized und das TAS-System von Alphamantis genutzt, mit dem der CdA-Wert in Echtzeit berechnet wird.

In diesem Artikel möchten wir euch einen kleinen Überblick über die einzelnen Athleten und ihre Positionen geben:

Boris Stein

Mit Boris haben wir zum ersten Mal ca. acht Wochen vor Kona gearbeitet. Aufgrund der kurzen Zeitspanne war klar, dass wir nur an Details der Position schrauben können, um den Körper nicht vor zu große Adaptionsprozesse zu stellen. Als wir, zusammen mit STAPS, den Luftwiderstand seiner aktuellen Position analysierten, wurde schnell klar, dass diese bereits sehr aerodynamisch und schnell ist. Sein CdA-Wert (0,232 bei 1,88m Körpergröße) entsprach eher einem professionellen Zeitfahrer denn einem Ironman. Optimierungspotentiale fanden wir vor allem in der Öffnung des Hüftwinkels, besonders zu Beginn der Druckphase (Abb. 1), und der Beckenstabilität auf dem Sattel (Abb. 3.1). Beide Aspekte versuchten wir sowohl mit Anpassungen der Kontaktstelle Sattel als auch anhand der Positionierung der Extensions zu lösen. Minimale Veränderungen an der Sattelposition und einige mittelgroße Veränderungen am Cockpit später kam plötzlich der messtechnische Durchbruch: Ein weiter verringerter CdA-Wert (0,224) und ein Hüftwinkel, der in der entscheidenden 0° Kurbelposition um 1,5° weiter geöffnet ist (Abb. 2).

Abb. 1: 0°Kurbelposition vorher

Abb. 2: 0°Kurbelposition vorher

Dazu sehen wir eine verbesserte Stabilität des Schwerpunkts auf dem Sattel (KAP = 7mm nach hinten verschoben) und eine um 20% verringerte Druckbelastung an der Sattelnase (Abb. 3.2) – das Ganze bei einer höheren Cockpit-Einstellung als vorher! Da auch Boris‘ subjektives Feedback sehr positiv ausfiel, gilt für dieses Fitting: Ein tieferes Cockpit macht nicht automatisch schneller!

Abb. 3.1: Satteldruckverteilung vorher

Abb. 3.2: Satteldruckverteilung nachher

Patrick Lange

In einer weiteren Kooperation mit STAPS haben wir auf der Radbahn in Augsburg einen Tag mit Patrick Lange verbracht. Patricks Baseline war mit einem CdA-Wert von 0,215 bereits sehr aerodynamisch, so dass wir einen Fokus auf die „Aero-Stabilität“ legen konnten. Der Parameter „Positions-Stabilität“ ist deshalb so wichtig, weil er Aussagen darüber ermöglicht, wie lange ein Athlet seine Aero-Position halten kann. Bei Patrick lag das größte Optimierungspotential in der Positionierung des Beckens auf dem Sattel, da er sich in der Ausgangslage alle 8-9 Sekunden deutlich auf dem Sattel bewegte (siehe Abb.4 links: Jede Spitze ist ein ‚Shift‘ des Beckens). Durch den Wechsel auf ein anderes Sattelmodell (COBB JOF 55) und eine minimale Reduzierung der Sitzhöhe konnte seine Beckenstabilität deutlich erhöht werden (siehe Abb. 4 rechts).

Abb. 4: Verlauf des KAP vorher/nachher

Wenn eine gute Beckenstabilität erstmal erreicht ist, kann die Suche nach Optimierungspotential am Cockpit weitergeführt werden. Et voila: Durch ein Anwinkeln der Extensions lagen nicht nur die Unterarme stabiler auf den Armpads, sondern der CdA-Wert nahm auch noch etwas ab (0,211). Den Effekt der erhöhten Stabilität im Cockpit kann man anhand des Kraftangriffspunktes auf den Armpads messen. Dieser „Druckschwerpunkt“ war in der Baseline in „größerer Bewegung“ (siehe Abb. 5), was auf eine verstärkte Aktivität der Oberarm/Schultermuskulatur schließen lässt. In der finalen Position befindet sich der Schwerpunkt (KAP) mittig auf einer sehr kleinen Fläche, was die verbesserte Stabilität nachweist (Abb. 6).

Abb.5: Druckverteilung Aeropads vorher

Abb.6: Druckverteilung Aeropads nachher

Per Bittner

Per und seinen Trainer Guido Vroemen durften wir im Frühjahr 2016 in unserem Labor in Münster begrüßen. Die Zielsetzung dieses Fittings lag vor allem in der Optimierung der Kontaktflächen, um eine möglichst komfortable und stabile Position zu „bauen“, die aber natürlich trotzdem schnell sein sollte. Bereits in der Baseline Messung wird deutlich, dass der Cobb JOF 55 – Sattel für Pers Beckenanatomie gut passt (Bild 7.1). Nach etwas Finetuning der Sattelposition und Sitzhöhe konnte das finale Bild der Satteldruckmessung erzeugt werden (Bild 7.2). Als Ergebnis der Sattel-Optimierung sprechen mehr als 50% weniger maximale Druckbelastung und eine doppelt so große Kontaktfläche eine deutliche Sprache.

Abb. 7.1: Satteldruckmessung vorher

Abb. 7.2: Satteldruckmessung nachher

Bei der Anpassung des Cockpits (Lenkerhöhe, Armpad-Position, Position der Extensions) konnten wir etwas Spannung aus der oberen Rückenmuskulatur nehmen, die Schulterpartie entlasten und die Links-Rechts Bewegungen des Oberkörpers minimieren. Diese Ergebnisse wurden erzielt, ohne dass sich die Frontfläche des Systems vergrößert hat, was sich positiv auf den Luftwiderstand auswirken sollte.

Video 1: Analyse der Frontfläche

Zusätzlich haben wir Per mit gebioMized Maßeinlagen ausgestattet, um die Kontaktfläche im Schuh zu vergrößern und die Kniebewegungen in der Druckphase zu stabilisieren!

Nun sind nahezu alle Vorbereitungen auf den großen Tag abgeschlossen und unsere Arbeit ist getan. Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten – die Zusammenarbeit mit STAPS, dem Radhersteller Canyon und Alphamantis hat uns riesigen Spaß gemacht. Wir hoffen, die Früchte der intensiven Vorbereitung am 8. Oktober live zu sehen und drücken allen drei Athleten die Daumen!
Alles Gute und lasst es krachen! Viel Glück und gute Beine an Boris, Patrick und Per…

Autoren:

Daniel Schade
Björn Geesmann
Lotte Kraus
Jonas Kraienhorst